FILMPRODUKTION (2) - DREHBUCH: REDUNDANZ & MANGELNDE HOMOGENITÄT

Datum: 25. Januar 2011 --- Autor: Daniel Kosig (Regie & Postproduktion)

Nachdem wir uns im ersten Teil mit dem Gedanken auseinander gesetzt haben, dass das Drehbuch nur die Spitze des Eisbergs einer Filmproduktion darstellt, wollen wir nun einen Blick auf die Fehler werfen, die sich beim Schreiben einschleichen können und im Normalfall vermieden werden sollten. Wenn Sie den ersten Teil noch einmal lesen möchten oder dies noch nicht getan haben, können Sie es hier nachholen:

Filmproduktion (1) - Das Drehbuch, die Spitze des Eisbergs

Wir haben bereits geklärt, dass das die Entstehung des Drehbuchs die erste "Geburt" eines neuen Werkes ist und wir somit alles tun müssen, um diesen Ausganspunkt so weit wie möglich zu optimieren. Eine gute und außergewöhnliche Idee für einen Film zu haben, kann man jedoch nicht beigebracht bekommen. Allenfalls Techniken um die eigene, bereits vorhandene Kreativität, zu unterstützen und besser ins Fließen zu bringen. Gehen wir für unsere weiteren Überlegungen also davon aus, dass diese Idee bereits existiert und das Drehbuch für die Filmproduktion dramaturgisch solide und schlüssig aufgebaut ist. Es gibt einige Fehler, denen man bereits sehr früh aus dem Weg gehen kann, um die bestehenden Qualitäten nicht zu untergraben. Bevor wir uns Gedanken darum machen, wie aus unserem guten Drehbuch ein sehr gutes wird, sollten wir überprüfen, ob sich vielleicht unbewusst ein paar dieser negativen Elemente eingeschlichen haben.

Redundante Erzählweise

Weit verbreitet ist wohl die Benutzung redundanter Passagen, also von Textteilen, in denen unnötigerweise der selbe Inhalt vermittelt wird. Solche Stellen dürften in so ziemlich jedem Drehbuch vorhanden sein, das die erste Arbeit eines Autors darstellt. Ist auch nicht weiter schlimm, Fehler werden schließlich gemacht, um daraus zu lernen. Unangenehm wird es erst, wenn in die Umsetzung eines Drehbuchs mit solchen Elementen viel Geld fließt.

Das beste Beispiel für eine redundante Erzählweise in professionellen Filmproduktionen sind wohl die derzeit im Nachmittagsprogramm ausgestrahlten Doku-Soaps, welche in der Stilistik einer dokumentarischen Reportage die Lebensprobleme frei erfundener "Normalbürger" zeigen. Es könnte sich um eine Frau Müller drehen, die ihrem Ehemann nachspioniert, weil sie glaubt, dass er sie betrügt.

Überspitzt gesagt, passiert folgendes:
1. Das Bild zeigt Frau Müller, die ihren Ehemann beschattet.
2. Frau Müller redet mit sich selbst: "Jetzt will ich doch mal sehen, ob mich der Mistkerl betrügt."
3. Eine Texteinblendung erscheint: "Frau Müller (30 Jahre), will herausfinden, ob sie von ihrem Ehemann betrogen wird."
4. Ein Voice Over informiert die Zuschauer: "Voller Unruhe spioniert Frau Müller ihrem Mann nach. Sie ist außer sich vor Sorge, ob ihr Mann tatsächlich fremdgeht."
5. Schnitt. Frau Müller wird in einer Interviewsituation gezeigt und spricht in die Kamera, um ihre Erlebnisse zu schildern: "Also ich war wirklich ganz außer mir. Immerhin sah es ganz so aus, dass mich mein Mann betrügt. Da musste ich einfach herausfinden, was es damit auf sich hat."

Der selbe Vorgang wird also auf bis zu fünf verschiedene Weisen beschrieben und erläutert. Dabei hätte eine, nämlich die erste, vollkommen ausgereicht. Das seltsame Verhalten ihres Ehemanns und das daraus entstehende Misstrauen von Frau Müller wurde vorher schließlich bereits gezeigt, so dass jeder Zuschauer wüsste, warum sie ihn beschattet. Jemand, der hochwertige Unterhaltung sucht, wird sich von so einer Unterschätzung seiner Auffassungsgabe seitens der Filmemacher vor den Kopf gestoßen und gelangweilt fühlen. Jegliche Spannung wird aus der Dramaturgie genommen. Nachträglich wird versucht, dies wieder umzukehren und den Zuschauer mit Frau Müllers unvermeidlicher Interview-Aussage "Aber damals wusste ich ja nicht, dass alles noch viel schlimmer kommen sollte" wieder an den Bildschirm zu fesseln. Wer ab und zu etwas Trash-TV braucht, um vom Alltag abschalten zu können, wird die Sendungen vermutlich genau deshalb mögen (vielleicht wurde diese Zielgruppe sogar bewusst gewählt) - aber nachdem wir uns dafür interessieren, wie hochwertige Drehbücher entstehen, sollten wir uns von einer redundanten Erzählweise lieber fern halten.

Mangelnde Homogenität des Drehbuchs

Mangelnde Homogenität liegt vor, wenn sich der Zuschauer nicht auf die Geschichte einer Filmproduktion einlassen kann, weil diese zu häufig ihren Erzählton oder ihre Thematik ändert. Ein krasser Bruch kann manchmal gut gehen: "From Dusk Till Dawn" von Robert Rodriguez ist meiner Meinung nach ein Beispiel dafür. In der Mitte des Films wandelt sich die harte Gangstergeschichte plötzlich in einen schwarzhumorigen Vampir-Splatterfilm. Zu viele Brüche zerstören aber unweigerlich den Sog des Erzählflusses, sofern sie nicht auf Grund ihrer immensen Häufigkeit selbst den stilistischen Kern des Filmes darstellen.

Schlecht ist beispielsweise, einen Film in hohem Tempo als Actionkomödie beginnen zu lassen, um anschließend auf langsame und melodramatische Weise die unerfüllte Liebe des Protagonisten zu schildern, was im letzten Drittel mit größter Ernsthaftigkeit von einer außerirdischen Invasion unterbrochen wird. Das ist natürlich wieder überspitzt ausgedrückt. Die stilistischen Brüche können wesentlich subtiler sein. Eine Filmproduktion kann sich permanent im selben Genre bewegen, wenn aber keine der Szenen wirklich viel mit der anderen zu tun hat (es also keine erkenntliche Folge von Ursache und Wirkung gibt) fragt sich der Zuschauer schnell "Warum sehe ich mir das überhaupt an?" oder ist enttäuscht, weil er zu Beginn andere Erwartungen bezüglich des Schwerpunkts der Geschichte des Films hatte.

Wie kann ein Drehbuch einer Filmproduktion also Homogenität verleihen, selbst wenn man den Erzählton an zwischendurch stark verändern möchte? Hierfür gibt es zwei Antworten:

1. Die Veränderungen kündigen sich vorher an. Solche Andeutungen einzubauen, damit das Interesse des Publikums zu wecken und die Erwartungen später einzulösen, ist immer sinnvoll, egal ob man eine spätere Entwicklung der Geschichte vorbereiten möchte oder auf Charakterzüge der Personen hinweist, die zu einem anderen Zeitpunkt noch eine bedeutende Rolle spielen werden. Andeutungen wichtiger Sachverhalte involvieren die Zuschauer, die sich zwangsläufig fragen, was es damit auf sich hat, und erhöhen die Spannung bis zum dem Moment, in dem sie eingelöst werden. Dazwischen kann durchaus einige Zeit vertreichen, denn wie heißt es so schön: "Make them laugh, make them cry, but make them wait."

2. Die Veränderungen haben keinen Einfluss auf die Grundfrage des Films ("Wird der letzte Coup der Bankräuber gut gehen?", "Wird sie ihre große Liebe erobern können?", etc). Die Grundfrage wird zu Beginn, in der Exposition, gestellt und sollte am Ende, während der Auflösung, beantwortet werden. Natürlich gibt es gelungene Filmproduktionen mit offenem Ende, aber auch hierbei ist es sinnvoll, zumindest noch einmal Bezug auf die Grundfrage zu nehmen, um das Geschehene abzurunden und eine spürbare Homogenität zu erzeugen. Um nochmal zu "From Dusk Till Dawn" zurückzukehren: Die Grundfrage hierbei ist, ob die beiden Gangster es schaffen werden, zu entkommen und ihre Flucht zu überleben. Diese Frage ändert sich auch nicht, als sie im späteren Verlauf auf die Vampire treffen - positiverweise sind zudem der erste und der zweite Teil des Films in ihrer harten Machart an eine ähnliche Zielgruppe gerichtet.

Homogenität kann an vielen Stellen im Prozess einer Filmproduktion entstehen und verstärkt werden. Bereits im Drehbuch könnte sich auch eine bestimmte Motivwahl immer wieder finden. Großzügige Landschaftsaufnahmen zum Beispiel, wenn die Grundfrage das Thema "Freiheit" behandelt. Auch eine durchdachten Kameraarbeit, bei der die Bilder in ihrer Komposition und Abfolge nicht willkürlich wirken, oder ein wiederkehrendes musikalisches Thema im Soundtrack machen den Gesamteindruck stimmig.

Im dritten Teil werden wir uns mit zwei weiteren Fehlern beschäftigen, deren Vermeidung uns dem Ziel eines qualitativ hochwertigen Drehbuchs wieder ein Stück näher bringt:

Filmproduktion (3) - Drehbuch: Fehlen von Momentum & Subtext


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